Mehr P.A.R.T.Y. – weniger Unfälle

Erstellt von Prävention | P.A.R.T.Y.

Seit 2011 hat sich P.A.R.T.Y., eines der weltweit erfolgreichsten Programme zur Unfallprävention, auch in Deutschland etabliert. Nach einer Pilotphase in Köln-Merheim sind mittlerweile vier weitere Standorte hinzugekommen. In Zusammenarbeit mit führenden Unfallkliniken richtet sich das Programm an Schulklassen und Jugendliche im Alter von 15 bis 18 Jahren.

Hinter dem Akronym P.A.R.T.Y. verbirgt sich „Prevent Alkohol and Risk Related Trauma in Youth“. Im Mittelpunkt steht die Prävention von Verletzungen, die bei Jugendlichen häufig durch Alkohol- oder Drogenkonsum, Selbstüberschätzung oder bewusste Nachlässigkeit verursacht werden. Zentrales Thema ist der Verkehrsunfall – das P.A.R.T.Y.-Programm bietet damit einen Beitrag der deutschen Unfallchirurgen zur „Decade of Action for Road Safety 2011-2020“ der Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation WHO. 

Seit 2011 ist die Koordinierungsstelle für die deutschen P.A.R.T.Y.-Aktivitäten in der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sporttraumatologie am Klinikum Köln-Merheim angesiedelt. „Als Leiter der Unfallklinik blicke ich auf viele bewegende Situationen zurück, bei denen junge Menschen durch einen Verkehrsunfall verstorben sind oder schwer verletzt wurden und sich durch diese Verletzung ihr bisheriges Leben vollständig verändert hat“, sagt Prof. Dr. Bertil Bouillon. „Besonders tragisch ist es, den Krankheitsverlauf bei jungen Menschen mitzuerleben, die aufgrund einer Unachtsamkeit oder einer bewussten Nachlässigkeit ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben und bei denen es nie wieder so sein wird, wie vor dem Ereignis. Wir möchten mit unserem Unfallpräventionsprogramm etwas von unserer Erfahrung und unserem Wissen weitergeben.“ Denn Verkehrsunfälle stehen weltweit auf Platz eins der Todesursachen bei Menschen unter 18 Jahren.

Die Grundidee des Projekts wurde 1986 in der Notfallambulanz des Sunnybrook Health Sciences Centre in Toronto/Kanada entwickelt. Das Programm etablierte sich schnell und verbreitete sich innerhalb der letzten 26 Jahre weltweit. Mittlerweile gibt es über 100 Standorte des P.A.R.T.Y.-Programms in fünf Ländern. In Deutschland bietet neben Köln-Merheim mittlerweile auch das Katharinenhospital Stuttgart das Programm an. Die Universitätskliniken Düsseldorf, Greifswald, München Rechts der Isar und das Städtische Klinikum Dresden-Friedrichstadt stehen in den Startlöchern.

Den Kern des Programms bildet der so genannte P.A.R.T.Y.-Tag, bei dem Schulklassen einen ganzen Tag in einer Unfallklinik verbringen. Sie erleben während ihres Besuchs, welche „Stationen“ ein polytraumatisierter Patient innerhalb der Klinik durchläuft und welche Auswirkungen verschiedene Verletzungsmuster haben. Die Jugendlichen werden an allen Stationen von Unfallchirurgen, Ärzten anderer Fachrichtungen, Krankenschwestern und -pflegern, Rettungssanitätern, Reha-Spezialisten etc. informiert und betreut. Ergänzt wird ihr Aufenthalt durch Vorträge und Präsentationen, unter anderem von Präventionsbeauftragten der Verkehrspolizei.

Kontakt zu jungen Schwerverletzten auf Augenhöhe

„Der P.A.R.T.Y.-Tag hat das Ziel, das Bewusstsein für die Folgen schwerer, aber auch einfacher Verletzungen, die im Straßenverkehr entstehen, zu schärfen, um vielleicht im richtigen Moment die richtige Entscheidung treffen zu können“, erklärt Dr. Thomas Brockamp, der das Programm in Deutschland koordiniert. „Insbesondere der Kontakt zu einem jungen Schwerverletzten auf Augenhöhe vermittelt den Jugendlichen eindringlich, welchen Einfluss der Unfall auf Familie, Freunde, Schule und Beruf hat.“

Während eines P.A.R.T.Y.-Tags lernen die Jugendlichen die wichtigsten Präventionsmaßnahmen kennen, werden mit verschiedenen Verletzungsmustern konfrontiert und bekommen einen Einblick in das derzeit medizinisch Machbare bei der Versorgung dieser Patienten. Danach besuchen sie den Schockraum der Notfallambulanz und die Intensivstation. „Die operative Intensivstation ist die wohl ‚sensibelste’ Station des ganzen Tages. Hier werden die Jugendlichen zum ersten Mal mit schwerverletzten Patienten konfrontiert, die in der Regel maximal therapiert werden“, erläutert Brockamp. Dazu gehören Beatmung, Perfusoren, Fixateure, Thoraxdrainagen und Hirndrucksonden. 

Danach bringt die unfallchirurgische Station den Jugendlichen den Stationsalltag mit der Versorgung unfallchirurgischer Patienten näher. Zudem steht ihnen ein Rettungswagen mit einem erfahrenen Rettungsassistenten zur Verfügung. Hier dürfen die Schülerinnen und Schüler auch selbst „Hand anlegen“. Das Retten eines Verunfallten wird mit den dafür notwendigen medizinischen Hilfsmitteln simuliert.

Erfahrungen im Leben eines Verunfallten simulieren

Ein weiterer Bestandteil des Besuchs ist die Physiotherapie. Hier bekommen die Jugendlichen eine Idee davon, was notwendig ist, um nach einer schweren Verletzung wieder ins alte Leben zurückzukehren und mit welchen Zeitspannen dabei zu rechnen ist. Zugleich gibt es hier die Möglichkeit, einige Erfahrungen im Leben eines Verunfallten zu simulieren: Den Teilnehmern werden „Handicaps“ angelegt – zum Beispiel eine HWS-Orthese, eine Gipsschale oder Korsette –, die sie auch beim anschließenden gemeinsamen Mittagessen tragen sollen, um zu durchleben, wie schon die einfachsten alltäglichen Verrichtungen um einiges komplexer werden, wenn der Körper nicht zu hundert Prozent funktioniert.

Zum Abschluss des P.A.R.T.Y.-Tags berichtet ein ehemaliger schwerverletzter junger Patient den Jugendlichen von seinen Erlebnissen. Er referiert dabei über den Unfall, dessen Ursachen und die Zeit danach, über Schwierigkeiten und Probleme im Krankenhaus und besonders über die Ängste und Sorgen, die seine Familie und er in dieser Zeit hatten. „Dieses Gespräch beeindruckt die Jugendlichen immer sehr“, berichtet Brockamp.

Das Programm wird wissenschaftlich begleitet und in definierten Abständen von den Teilnehmern evaluiert. Damit soll sowohl die Qualität kontinuierlich verbessert als auch geprüft werden, ob es messbare Effekte des Programms auf die Jugendlichen gibt.

Das P.A.R.T.Y.-Programm wurde in Deutschland gemeinsam mit der AG „Prävention von Verletzungen“ der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) und der Sektion Prävention der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) umgesetzt. AG und Sektion beschäftigen sich seit vielen Jahren schwerpunktmäßig und interdisziplinär mit dem Komplex Verkehrsunfall. Dies geschieht in enger Kooperation mit Partnern aus den universitären Unfallforschungen (z. B. in Hannover, Greifswald, Regensburg, München), mit Verbänden (z. B. mit dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat, dem ADAC und der Bundesarbeitsgemeinschaft „Mehr Sicherheit für Kinder“) und der Industrie (z. B. BMW, Continental). „Mit dem P.A.R.T.Y.-Programm gibt es nun erstmals ein für die deutschlandweite Anwendung konzipiertes klinikbasiertes Präventionsprogramm“, erklärt Dr. Uli Schmucker, Leiter der DGOU-Sektion Prävention. „Die Hochrisikogruppe der jungen Verkehrsteilnehmer, die wir im vertrauten Klassenverbund direkt und unmittelbar mit ‚life-changing-events’ konfrontieren, wird davon besonders profitieren.“

Umgesetzt werden kann das Programm an jeder Klinik, die Erfahrung mit der Versorgung von Schwerverletzten hat. Grundsätzlich wird das gesamte Projekt jeweils von den an der Traumaversorgung beteiligten Abteilungen und dem entsprechenden Personal getragen. Der Aufwand bleibt für die einbezogenen Unfallchirurgen, Ärzte, Krankenschwestern und -pfleger, Physiotherapeuten und primär versorgenden Rettungskräfte aber überschaubar: Die zentrale Koordinierungsstelle von AG/Sektion Prävention und Unfallklinik Köln-Merheim stellt dafür allen teilnehmenden Kliniken eine individualisierte Website, ein individuelles Logo mit Stadtnamen, Marketingmaterialien, Vortragsvorlagen und alle Dokumente für die Kommunikation mit den Schulen zur Verfügung. Unfallkliniken, die Interesse haben, an dem Programm teilzunehmen, können sich an die Koordinationsstelle in Köln-Merheim wenden.

Miriam Buchmann-Alisch/DGU

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